Aus dem Ortskompendium des Hauerlandes.
Lage: Hedwig liegt auf der Ostseite des Ziar-Gebirgszuges, der das Turzer Becken vom oberen Neutratal trennt, in einem schmalen Nebental zwischen dem Haleid (825m) und dem Wolfsberg (752m), abseits der Hauptverkehrswege. Der Mittelteil des Ortes liegt bei (550m), das Gemeindegebiet zwischen (500m) und (833m) über NN. Ethnologisch zugehörig zur Deutsch-Probener Sprachinsel liegt Hedwig mit Bries und Münchwies in der gebirgigen Randzone dieser Sprachinsel. Die Geamtfläche betrug 502ha, und war die kleinste Gemeinde dieser Randzone.
Dorfform: lang gestreckt, (2 km) entspricht dem Schema der späteren schlesischen Kolonisationsperiode. Die steilen Hänge treten teilweise dicht an die Talsole heran, die Bebauung weist dadurch stellenweise größere Lücken auf.
Name: In den Urkunden kommen verschiedene Abwandlungen von Haduiga vor, nirgends jedoch die Endung -haj -häu oder ähnlich. Erst 1926 (Winter) tauchte in einer oberflächlichen Gebietsbeschreibung erstmals der Name Hedwighäu auf. Er ist nicht berechtigt. Der Ursprung des Names ist nicht geklärt. wohl kann ein Personenname vermutet werden. Die ungarische Bezeichnung: Hedwigfalva, slowakisch: Hadviga, mundartlich: d`Hääwig (die)
Geschichte: Die Gründung erfolgte gegen Ende des 14. Jh. auf dem Gebiet der Herrschaft von Windisch-Proben. Mit Bries zusammen wird es erstmals 1392 genannt. Weitere Erwähnung erfolgte erst wieder 1493. Eine Gründungsurkunde ist nicht vorhanden. Die Siedler dürften aus den bereits bestehenden deutschen Orten des oberen Neutratales gekommen sein. Nach einer Ortssage soll der Begründer ein Schäfer aus Deutsch-Proben sein. Im Verlauf der Jahrhunderte gab es immer wieder Streitigkeiten über den grundherrlichen Besitz, der vor Gericht ausgetragen wurde, oft aber auch mit Gewalt auf Kosten der leibeigenen Bauern. Obwar keine unmittelbaren Berichte vorliegen, werden die Notzeiten durch Aufruhr und Kriege auch dem abgeschiedenen Tale nicht erspart geblieben sein. Die Reformation hat sich nachhaltig ausgewirkt. Bis zuletzt gab es eine evangelische Mehrheit im Ort. Zu den wirtschaftlichen Sorgen auf dem kargen Boden - in späteren Jahren gepaart mit Not - kam Anfang des 20. Jh. die Abwehr der Entnationalisierung. Beim Partisanenaufstand 1944 war die Gemeinde schweren Drangsalen ausgesetzt. Die Evakuierung in 2 Schüben erfolgte Anfang 1945 nach Nieder- und Oberösterreich, nachdem vorher schon die Schulkinder weggebracht wurden. Die Verhältnisse, in denen die Hedwiger leben mußten, ließ einige Familien den Mut fassen, zurückzukehren. Mittellos und ihrer letzten Habe enteignet kamen 5 Familien in Hedwig wieder an. Die anderen wurden im Juni 1946 in das zerstörte Deutschland weitergeleitet. Rückkehrer aus dem Sudetenland (Heimatschutz) wurden nach Oberstuben gebracht, rückreisende Saisonarbeiterinnen - etwa 30 Mädchen - kamen in das Konzentrationslager Novaky. Obgleich weit zerstreut - wie alle Hauerländer - haben sich die Hedwiger hauptsächlich in Württemberg niedergelassen. Ein Siedlungsschwerpunkt hat sich im Kreis Vaihingen/Enz gebildet, besonders in Horrheim. Außerdem fanden Familien in Hannover und Freiburg wieder ein Zuhause. Nach Kanada sind 6 Familien ausgewandert. 4 Familien kamen als Spätaussiedler. Nur in Hedwig wohnt heute keiner mehr. Nach Kriegsende wurde der Ort geplündert, ganze Holzhäuser abtransportiert. Nur 8 Wohnungen wurden wieder hergerichtet und dienen bis 1989 Privilegierten für den Sommeraufenthalt.Über die verwilderten Felder ziehen fremde Schäfer.
Wirtschaftliches: Schon Lange konnte der landwirtschaftlich nutzbare Boden die stetig zunehmende Bewohnerschaft nicht ernähren. Durch konsequente Erbteilung wurde der Boden so weitegehend zerstückelt, dass niemand mehr zu Hause sein Auskommen finden konnte. Die Bodenqualität war die schlechteste der gesamten Sprachinsel. Die Hedwiger wurden wie viele andere Sprachinselbewohner, Saisonarbeiter in der Landwirtschaft, als Baufachleute und Hilfsarbeiter. Oft blieb ein Elternteil zu Hause, während das andere in die Fremde zog. Die weltweite große Arbeitslosigkeit Anfang der 30 Jahre führte zu katastrophalen Zuständen, Hungersnot breitete sich aus. Sammlungen deutscher Organisationen halfen, das Schlimmste zu vermeiden. Nach Öffnung der Grenzen für Saisonarbeiter setzte 1937 wieder ein wirtschaftlicher Aufschwung ein.
Kulturelles: Konfessionell gemischt wurde die Gemeinde von slowakischen Geistlichen aus Windisch-Proben betreut. Nach der Mission im Hauerland wurde aus dem Spendenaufkommen ein kath. Kirchlein gebaut, das am 31.10.1937 eingeweiht werden konnte. Ein 1938 eröffnetes Kulturhaus bot auch Raum für den ev. Gottesdienst. Die Schulverhältnisse waren schlecht, der Analphabetenstand bis ins 20 Jh. hinein hoch. Erst 1896 wurde eine Schule eingerichtet. 19.. wurde die inzwischen madjarische Schule in eine deutsche Schule umgewandelt. 1928 hatte die einklassige staatliche Schule 101 Kinder und einen Lehrer (H. Ölschläger).
Statistik: 1715: ergab die Konskription 10 Haushaltungen von leibeigenen Grundbesitzern und einen Häuslerhaushalt.
1825: 347 Einwohner, davon 347 Deutsche, 212 ev., 139 röm.kath., 44 Wohnhäuser. Zu dieser Zeit gab es 65 Landwirtschaften mit 398 Kat.-Joch Ackerland, 4 K:J. Gärten, 21 K.J. Wiesen, 80 K.J. Hutweiden. 343 K.J. Wald.
1900: 375 Einwohner, mit 371 Deutschen, 2 Slowaken, 2 Ungarn. Des Lesens und Schreibens Kundige: 75. Von den Einwohnern waren 218 ev., 150 röm.kath., 7 israel., Häuser: 49.
1930: 465 Einwohner, davon 458 Deutsche, 3 Slowaken, 4 Juden. Häuser: 81.
1944. geschätzt: 600 Deutsche Einwohner.
Volkskundliches: Brauchtum: Das Brauchtum im Jahresablauf entsprach weitgehend der Nachbargemeinde Bries (siehe 2.Jg.F.1). Die Totenklage war bis zuletzt Brauch (lautes beklagen des Toten am Sarg, wobei sein Leben geschildert wurde und die Not der Hinterbliebenen). In der Nacht nach dem Tode eines Dorfangehörigen verläßt niemand sein Haus, weil man den Abschiedsbesuch des Toten erwartete. Hedwig ist reich an Volkserzählungen. Bauweise: von alters her eingeschossiger Holzblockbau, meist schindel- und teilweise auch strohgedeckt, offener Herd. Wohnhaus überwiegend mit Längsseite zur Strasse. Keine bestimmte Hofform, Anpassung an das bergige Gelände. Neuere Häuser nur noch in Stein- bzw. Ziegelbauweise.
Namen: Familiennamen: Bolich, Giereth, Hogh, Jockel, Kaltwasser, Liener, Mendel, Palesch, Retlich, Stenzel, Tenzer. Hofnamen: Henzeljek, Schenknpall, Bojanken, Mendlen, Ilonken, Köbesen, Kalporspall, Haghpall, Niedere-Stuub, Markes. Flurnamen: Bölspiak, Huuchapejek, Hognpeschel, Garitt, Hölzbeg, Stiienala, Halaid, Ruusengrund, Boliksgrund, Höet, Höetnrendl, Hechbald,, Finstergründl, Wiibig, Kruujedl, Hadlpiak, Pfofpiak, Bölsgrund, Grenez, Ausgapriit. In der Grenzstreiturkunde von 1569 werden schon genannt: Scharfenstein oder Ebychstein, Wüstling, Wolfstein, Pfaffengrund und Riegel.
Wesentlicher Angaben verdanken wir Herrn Michael Tenzer aus Horrheim.
R. Melzer